Die Einführung eines Dokumentenmanagementsystems (DMS) kann die Digitalisierung von Geschäftsprozessen deutlich voranbringen. Deshalb steht die digitale Abbildung von Dokumenten- und Informationsflüssen auf der Agenda vieler Unternehmen. Versucht man das abstrakte Ziel des „papierlosen Büros“ zu konkretisieren, sieht man sich jedoch schnell mit einer hohen Komplexität konfrontiert: Ein bunter Blumenstrauß an Fachprozessen soll eingebunden werden. Eine große Menge an Mitarbeitenden soll informiert und beteiligt werden. Und nicht zuletzt stellt sich die Frage, wie bestehende IT-Lösungen integriert werden können.
Daran schließt sich die Erkenntnis: Ein solches Projekt braucht eine leistungsfähige Steuerung – sowohl personell als auch methodisch. Aber welche Methode ist die richtige: das klassische (auch „Wasserfall“ genannt) oder doch das agile Projektvorgehen?
Als IT-Dienstleister haben wir von GISA in zahlreichen Digitalisierungsprojekten sowohl positive als auch negative Erfahrungen mit beiden Methoden gesammelt und stellen einen Vergleich an.
Klassisches vorgehen – der Wasserfall
Das klassische Vorgehen ist etabliert und in den meisten Fällen wenig erklärungsbedürftig: Es besteht ein mehr oder weniger konkretes Zielbild. Die Anforderungen hierfür werden bspw. in einem Lastenheft erhoben und es wird ein Konzept zur Umsetzung entwickelt und freigegeben (z.B. in Form eines Pflichtenhefts). Basierend auf dem Konzept wird eine Lösung implementiert, getestet und abgenommen. Soweit, so gut – oder doch nicht?
Häufig offenbart sich im Abnahmetest ein anderes Bild: Die entwickelte Lösung passt nicht gut genug zu den Arbeitsprozessen der Anwenderinnen und Anwender. Es stellt sich heraus, dass das Zielbild des Projekts nicht hinreichend klar oder gar falsch war. Haben die Anwenderinnen und Anwender beim Test eine Lösung vor Augen, sehen sie ein, dass einige Punkte aus dem Konzept hinfällig sind.
Weitere Beiträge zu Themen wie agile Methoden und Design Thinking finden Sie in unserer Blog-Reihe zum Arbeiten 4.0!
In DMS-Projekten kommt meist eine weitere Fragestellung hinzu: Bei der Analyse der zu digitalisierenden Prozesse offenbaren sich gern Schwachstellen, Unstimmigkeiten oder unnütze Prozessschritte. Natürlich kann der Prozess dennoch digitalisiert werden, aber sinnvoller ist zunächst ein Re-Design der Prozesse. Ehe sich die Projektleitung versieht, ist ein Technologieprojekt zu einem organisatorischen Projekt geworden.
Im Rahmen eines klassischen Projekts steht die Projektleitung nun an einem kritischen Punkt. Ändert man Zielbild und Scope des Projekts und geht zurück auf Anfang, oder zieht man das Projekt unverändert durch, wohlwissend dass ein erfolgreicher Projektabschluss dem Unternehmen höchstens punktuell nützt.
Agiles vorgehen – der Goldstandard für IT-Projekte?
Das agile Vorgehen heilt an vielen Stellen die zuvor beschriebenen Probleme. Die inkrementelle Konzeption und Entwicklung von Lösungen liefern für die Anwenderinnen und Anwender schneller nutzbare Ergebnisse. Das agile Projektmanagement ist darauf ausgelegt, dass sich das eigentliche Zielbild erst im Rahmen des Projekts entwickelt. Eine Anpassung der Lösung an neue Erkenntnisse oder geänderte Rahmenbedingungen ist so leichter machbar.
Außerdem nehmen agile Methoden häufig die Nutzerinnen und Nutzer in den Fokus. Diese sind daher meist frühzeitig und dauerhaft ins Projekt involviert. Böse Überraschungen in Abnahmetests sind nahezu ausgeschlossen.
Erfahrungsgemäß hat dieses Vorgehen aber auch Schattenseiten. Meist ist den Projektverantwortlichen sowie den Anwenderinnen und Anwendern das agile Vorgehen noch nicht vertraut. Es erfordert häufig erhebliche Aufwände, die Methoden im Projektteam zu schulen und zu etablieren.
Auf Grund der Komplexität der Digitalisierungsprojekte werden zudem hohe Anforderungen an den Product Owner gestellt. Er muss sowohl technische, organisatorische als auch prozessuale Anforderungen definieren und in das Projekt einfließen lassen.
Nicht klassisch, nicht agil – also hybrid? Jein!
Die Erfahrungen haben gezeigt: Für Projektmanager ist es zielführend, sich aus einem Werkzeugkoffer von agilen und klassischen Methoden zu bedienen. Ein Patentrezept dafür gibt es nicht. Stattdessen ist das Fingerspitzengefühl der Projektleitung gefordert. Die Wahl der Methoden ist dabei unter anderem abhängig von den Freiheitsgraden in der Prozessgestaltung und der technischen Umsetzung sowie der Kultur im Projektteam.
Hierzu ein paar Beispiele aus DMS-Projekten:
Bei der Digitalisierung eines streng regulierten Prozesses kann ein klassisches Vorgehen zielführender sein. Geht es beispielsweise darum, die Dokumentation von Atommüll regulatorisch sauber abzubilden, ist eine ganzheitliche Konzeption der Lösung sicherlich anzuraten, bevor die Lösung genutzt wird. Ein anderer fachlicher Kontext wie die Produktentwicklung eines Softwareherstellers bietet hier hingegen andere Freiheitsgrade.
Die Entwicklung von Anwendungsoberflächen lässt sich unter Einbeziehung der Anwenderinnen und Anwender iterativ und agil deutlich besser und praxisnäher entwickeln als durch die theoretische Beschreibung der Oberflächen im Konzept.
Die Migration von Bestandsdaten bietet hingegen weniger Freiheiten. Sind Dokumente und Daten aus den Bestandssystem in das neue System migriert, rächen sich Änderungen am Metadatenmodell des neuen Systems – und zwar in Form von hohen Aufwänden bei der nachträglichen Datenpflege. Auch hier wäre ein ganzheitliches Konzept vor der Migration angebracht.
Zusammengefasst lässt sich also festhalten: Für das erfolgreiche Management von Digitalisierungsprojekten sollte die Projektleitung agile und klassische Methoden kombinieren, um deren Vorteile auszuspielen. Dabei können auch vermeintlich kleine Maßnahmen wie das Einplanen von zwei Iterationen der Konzeptionsphase oder die Nutzung von Prototypen und Mockups zum Projekterfolg beitragen. Neben allen Techniken und Methoden sollte der Projektmanager vor allem eines haben – ein offenes Ohr für sein Projektteam. Denn die beste Methode nützt nichts, wenn die Mitstreiterinnen und Mitstreiter nicht hinter dem Projekt stehen.
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