Process Mining ist nicht nur durch den kometenhaften Aufstieg des Münchener Start-ups Celonis in aller Munde. Das Thema existiert bereits seit den frühen 2000ern (van der Aalst und Weijters)* und wird seitdem zunehmend auch von Unternehmens-Software adressiert. Es gibt heute diverse Softwarelösungen am Markt. Hier seien z. B. die ProcessGold Enterprise Platform, der ARIS Process Performance Manager oder diverse Open Source Anwendungen genannt. Die Funktionsweise ist meist identisch. Logdaten werden aus den Kundenanwendungen in das Process Mining Tool in der Cloud exportiert. Im Process Mining Tool werden die Informationen aus der Anwendung dann prä-prozessiert, das heißt miteinander verknüpft, sodass die jeweilige Prozessinstanz des Kunden (wie wird der Prozess im System tatsächlich gelebt) entsteht. Auf Grundlage von visuellen, deskriptiven Modellen kann dann analysiert, interpretiert und eine entsprechende Geschäftslogik abgeleitet werden.
Was kann man mit den Ergebnissen des Process Minings tun? Im ersten Schritt sieht man wie die Unternehmensprozesse in der Realität ablaufen. Daraus folgen zwei mögliche Schlüsse: Auf die korrekte Einhaltung der definierten Prozesse hinwirken oder die niedergeschriebenen Prozesse an die Realität anpassen. Nutzen und Verbesserungen lassen sich erzielen, indem man, abgeleitet aus der erzielten Transparenz, die Prozessabläufe umstellt oder überflüssige Schritte entfallen lässt. Process Mining unterliegt demnach einem eher explorativem Ansatz und wird in Projektform häufig iterativ und interaktiv umgesetzt.
Im Gegensatz dazu knüpft RPA (Robotic Process Automation) direkt an diese möglichen Ableitungen an. Mit Hilfe von RPA lassen sich monotone, sich wiederholende Prozessschritte automatisieren, indem strukturierte und unstrukturierte Informationen aus verschiedenen Quellen nach bestimmten Regeln verarbeitet, validiert oder übertragen werden. Was RPA von traditioneller IT-Automatisierung unterscheidet, ist die Fähigkeit der RPA-Software, sich an veränderte Oberflächen oder Releases der Systeme anpassen zu können. Es folgt damit eher einem outside-in Ansatz und lässt das zugrundeliegende System unverändert. Der Roboter wird damit zum virtuellen Mitarbeiter des Unternehmens und hat das Potential, Fachkräfte von eintönigen Arbeiten zu befreien. Typische Anwendungsbereiche sind Logistik und Rechnungswesen. Wie oft werden ERP-Daten in Excel exportiert, dort bearbeitet, umgestellt oder verdichtet und danach in einer Webanwendung bereitgestellt. Ein typisches RPA-Szenario! Ein Prozess ist für Robotic Process Automation geeignet, wenn er sich oft identisch wiederholt, auf statistischen Regeln basiert, großes Prozessvolumen (Anzahl Ausführungen) beinhaltet, zeitlich stabil ist, d. h. nur wenige Veränderungen im Prozess hat, eine hohe Anfälligkeit für menschliche Fehler beinhaltet, vollständig digital ist und über verschiedene Softwaresysteme ausgeführt wird. Böse Zungen bezeichnen RPA als „Makro 2.0“, aber diese Sicht greift zu kurz, da RPA immer End-to-End gedacht werden muss.
Die größten Herausforderungen bei aktuellen RPA-Projekten sind:
- die Identifikation geeigneter Prozesse (u.a. Berücksichtigung von Compliance),
- sowie die Unschärfe des Business Cases aufgrund der Projektlaufzeiten.
Die besten Noten bekommen derzeit die Softwarelösungen „Blue Prism“, „Automation Anywhere“ und „UIPath“.
Wir legen uns fest: RPA und Process Mining sind in Deutschland die IT-Themen des Jahres 2019!
*Wil van der Aalst, Process Mining Data Science in Action, Verlag Springer, aktuelle Ausgabe 2018
Van der Aalst, W.M.P., Weijters, A.J.M.M. (2004). „Process Mining: a research agenda“ Computers in Industry, Volume 53, Issue 3, 231-244.